Eigenheim kaufen: Achtung, Stolpersteine

30.03.2021

Im Parlament sind Vorstösse zu einem besseren Käuferschutz hängig. Wer Immobilien kaufen oder bauen will, geht tatsächlich Risiken ein. Der beste Tipp lautet nach wie vor: Zuerst alles auf Herz und Nieren prüfen, erst dann kaufen.

Jürg Zulliger

In der Praxis gibt es kaum einen Bau ohne Mängel. Nehmen wir als Beispiel den Hauskäufer Philipp M.: Im Jahr 2006 kauften er und seine Frau ein grosszügig ausgestattetes Einfamilienhaus mit schöner Fernsicht in Richtung Alpen und Zürichsee. Kaufpreis damals: rund 1,6 Mio. Franken, inklusive Grundstück. Grob geschätzt summierten sich dann allerdings diverse Baumängel auf über 80’000 Franken.

Mängel vom Dach bis zum Keller

So war die nigelnagelneue Küchenabdeckung schon am Tag des Einzugs erheblich beschädigt. Noch viel ärgerlicher war dann das Wasser, das durchs Dach eindrang. Feuchtigkeit, Schimmel und ein modriger Geruch waren kaum auszuhalten. Monate später stellte sich heraus, dass Wasser auch von unten in die Böden eindrang. Selbst dieses Jahr – mehr als 14 Jahre nach Bezug – waren immer noch Schadenexperten vor Ort. «Als Käufer fühlten wir uns in einer schlechten Rechtsposition», so der 58-jährige Philipp M. Als Hauptursache sieht er tatsächlich grobe Versäumnisse und schlicht verpfuschte Arbeiten, die ein Laie dem Dach oder der Fassade von aussen eben kaum ansieht.

Als Stolperstein erwies sich auch der Kaufvertrag. In der Praxis ist oft unklar, ob nun eigentlich der direkte Vertragspartner oder die von ihm beauftragten Handwerker und Unternehmer für die Arbeit gerade stehen müssen. Selbst wenn der Verkäufer noch gewisse Fehler einräumt: Wenn zum Beispiel einer der Handwerker pleite oder über alle Berge ist, zieht sich der Rechtsstreit schier endlos hin.

Rechte bei Mängeln: Vorstösse in Bern

Politikerinnen und Politiker sind in der Sache bereits aktiv geworden. Generell geht es darum, die Rechtsposition von privaten Bauherrschaften sowie von Haus- und Wohnungskäufern zu stärken. Eine FDP-Politikerin schrieb zum Beispiel in einer parlamentarischen Initiative in Bezug auf die Vertragsmuster: Es sei schon fast fixer Bestandteil der Verträge, dass zum Beispiel ein Generalunternehmer die Mängelrechte für schlechte Arbeiten «an die Käufer abtreten» würde. Das heisst: Der ahnungslose Käufer hat damit zwar gewisse «Rechte», weiss aber im konkreten Schadenfall nicht, an wen er sich wenden soll. In der Praxis schieben sich die verschiedenen Beteiligten beim Bau gegenseitig den Schwarzen Peter zu. Einige kritische Politiker und auch Rechtsprofessoren fordern, dass Käufer in jedem Fall ein gesetzliches Nachbesserungsrecht haben sollten.

Rechte bei Mängeln: wenig zu verhandeln

In der Praxis sind die Wohnungskäufer meist in einer schwachen Verhandlungsposition. So ist es üblich, dass ein grösserer Generalunternehmer oder Verkäufer die Verträge für eine ganze Überbauung formuliert – und der Einfachheit halber wird der Unternehmer die Rechte und Pflichten einheitlich regeln wollen. So erweist sich der Verhandlungsspielraum als sehr eng. Vor allem, wenn noch mehr Leute die gleiche Wohnung gerne kaufen würden.

Vorschlag: Längere Fristen bei Mängeln

«Ich könnte mir aber vorstellen, dass eine Verlängerung der Gewährleistungsfrist für Mängel etwas bringen würde», sagt ein Zürcher Baujurist. Heikel ist zum Beispiel nach dem geltenden Recht, dass offene, erkennbare Mängel sofort gerügt werden müssen. Wenn im konkreten Einzelfall die verbreitete Regel des SIA (Norm SIA 118) Anwendung findet, muss ein Käufer bzw. ein Bauherr Mängel nach der ersten Gewährleistungsfrist von zwei Jahren ebenfalls sofort anzeigen.

In der Praxis erweisen sich die Regeln mit diesen Fristen und das formell korrekte Vorgehen als eine häufige Stolperfalle für unerfahrene Laien. Kommt dazu: Die Verjährungsfrist von fünf Jahren für Bauwerke ist meist rasch vorüber. Nach aller Erfahrung kommen gröbere Mängel – eben ein undichtes Flachdach – erst im fünften oder sechsten Jahr nach Fertigstellung ans Licht.

Allen Argumenten zum Trotz: Im Parlament in Bern zeichnet sich nicht viel Bewegung ab. Eine klare Mehrheit für griffigere Gesetzesbestimmungen oder schon  nur ein konkreter Vorschlag sind nicht in Sicht. So gilt weiterhin die Empfehlung, dass Käufer und private Bauherrschaften vor allem ihre Vertragspartner auf Herz und Nieren prüfen sollten.

Hier die wichtigsten Tipps für die Praxis beim Wohnungskauf und Hausbau:

Stolperstein Nr. 1: Einseitige Vertragsklauseln

Die Bestimmungen in den Verträgen und Geschäftsbedingungen sind weder vom Käufer noch von Konsumentenschutzorganisationen formuliert, sondern von den Baufirmen und Verkäufern. Dabei trifft man immer wieder höchst einseitige Klauseln an: Etwa wenn der Generalunternehmer die Mängelrechte an den Bauherrn respektive Käufer «abtritt». Ob dies überhaupt rechtens ist oder wie eine solche Klausel zu interpretieren ist, bleibt unter Juristen höchst umstritten. In der Praxis heisst dies aber, dass der Generalunternehmer für sein Bauwerk nicht geradestehen will; wenn also Mängel zu rügen sind, muss sich der Hauskäufer mit jedem einzelnen Handwerker und Unterlieferanten herumschlagen.

Eine solche Abtretung von Rechten sollte man als Käufer deshalb nicht akzeptieren, ebenso wenig andere Bestimmungen, wie sie ebenso vorkommen: etwa die Vertragsklausel, wonach die Baufirma dem Käufer erst die Schlüssel übergibt, wenn er alle Rechnungen, Extras und Zusatzrechnungen bezahlt hat. Auch davon ist dringend abzuraten, denn damit steht der Käufer auf verlorenem Posten, wenn er irgendwelche Reklamationen durchsetzen will.

Stolperstein Nr. 2: keine Referenzen eingeholt

Wer ein Haus baut, tätigt meist das wichtigste Geschäft seines Lebens. Umso mehr ist es die erste Pflicht, Referenzen einzuholen und zum Beispiel eine Betreibungsauskunft zu verlangen. Stattdessen müssen aber Fachleute immer wieder den Kopf schütteln ob der Blauäugigkeit vieler Hauskäufer – da zahlen gut ausgebildete Leute zum Beispiel einem notorischen Bau-Pleitier schon mal 50’000 Franken Anzahlung für ein Grundstück, das eigentlich jemand ganz anderem gehört. Also gilt: Wer sich nicht ein Bild von der Seriosität des Generalunternehmers oder der Baufirma gemacht hat, lässt besser die Finger von einem solchen Hauskauf.

Stolperstein Nr. 3: Vage Abmachungen und Verträge

In einem Bauvertrag heisst es zum Beispiel, ein bestimmter Einzugstermin sei «erwünscht»; man verspricht den Käufern Badewannen in «handelsüblicher» Qualität, es ist von «Schweizer Armaturen» oder «Standardinstallationen» die Rede.

Selbst im Luxussegment beschränkt sich die ganze Beschreibung des Bauwerks manchmal auf ein paar wenige Sätze – laut dem klein Gedruckten ist in einem Fall nur gerade «eine Steckdose pro Zimmer» vorgesehen. Der frisch gebackene Wohneigentümer wird also nach dem Einzug seine liebe Mühe haben, alle Geräte und Lampen anzuschliessen.

 Stolperstein Nummer 4: keine Zwischenkontrollen

Grundsätzlich sollte der Bauherr die Planung, Bauleitung und Überwachung des Baus den Profis überlassen. Oft ist es aber ein zuverlässiger Indikator, ob das Projekt termingerecht und gut organisiert über die Bühne geht. So gibt es dem Käufer mehr Sicherheit, wenn er über den Stand der Arbeiten im Bild ist und nach dem Abschluss wichtiger Arbeiten einbezogen wird (Abschluss Rohbau, Einbau Heiztechnik, Elektroinstallationen, Lieferung der Küche, Auswahl von Fliessen und Böden etc.).